«Ich will ein Produkt entwickeln, das richtig gut ist und ich selbst gerne essen würde»
Die Forschungsinstitution Agroscope in Bern entwickelt in Partnerschaft mit der Ölmühle Florin AG und der Käserei Seiler AG eine vegane Alternative zu Raclettekäse. Das Ausgangsprodukt ist Sonnenblumen-Ölpresskuchen. Das Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren wird finanziell von Innosuisse unterstützt. Die Projektzielsetzung: Aus einem Nebenprodukt der Lebensmittelverarbeitung ein marktfähiges Nahrungsmittel produzieren, das in gewerblichen Käsereien hergestellt werden kann und eine genussvolle Alternative zu Raclettekäse bietet. Zudem werden die Forschungsgrundlagen für die Verwertung von weiteren Nebenprodukten wie Rapsölkuchen erarbeitet.
Dr. Verena Looser ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Agroscope und die Leiterin des Projekts. Frau Looser ist gelernte Käserin und hat in Biotechnologie promoviert. Wir haben Frau Looser nach dem ersten Projektjahr einige Fragen zum Projekt gestellt:
Frau Looser, eine vegane Alternative zu Raclettekäse aus Ölpresskuchen – wie funktioniert das?
Sehr vereinfacht ausgedrückt wird Sonnenblumenöl-Presskuchen mit Wasser und weiteren Zutaten zu einer «Milch» oder Paste verarbeitet, fermentiert und gereift. Die konkrete Zusammensetzung ist noch Gegenstand der Entwicklung.
Bei der Produktion von Käse wird zur Gerinnung Lab eingesetzt. Hier auch?
Auch das sind wir momentan noch am Erforschen. Die Koagulation, d.h. der Prozess, der zum Käsebruch führt, basiert auf dem Milchprotein Kasein. Dieses Protein bringt auch die Schmelzeigenschaft mit sich. Pflanzliche Proteine sind anders aufgebaut. Das Lab-Enzym lässt diese Proteine nicht koagulieren. Diese Zusammenhänge wollen wir durch unsere Forschung noch besser verstehen.
Warum braucht es überhaupt eine pflanzliche Alternative zu Raclettekäse?
Solche Alternativen können einen Beitrag zu einer stärkeren pflanzlichen Ernährung leisten, wie sie auch der Bund mit seiner Klimastrategie Landwirtschaft anstrebt. Ausserdem interessiert uns das Upcyclen eines Nebenprodukts, das bisher fast ausschliesslich als Futtermittel verwendet wird, zu einem Lebensmittel. Die Eigenschaften des Ölpresskuchens bieten sich für die Verwertung als pflanzliche Alternative zu Käse an.
Welche Eigenschaften sind das?
Im Presskuchen aus Sonnenblumenkernen ist Restöl in der Zellstruktur vorhanden. Das ist eine interessante Voraussetzung für das Endprodukt. Der Rohstoff ist sehr proteinreich, aromatisch und nach der Fermentation farblich hell – ähnlich dem Käse. Der Rohstoff ist bereits heute in grösseren Mengen vorhanden, im Gegensatz zu Produkten aus Leguminosen wie z.B. Erbsen und Süsslupinen.
Soll das Produkt als vegane Alternative zu Raclettekäse oder als eigenständiges Produkt vermarktet werden?
Das wird eine Herausforderung. Das Produkt soll neu sein – kein Imitat. Trotzdem muss den Konsumierenden klar sein, wie sie das Produkt verwenden können, es muss sich in die bisherigen Essenstraditionen einordnen lassen. Bei Tofu beispielsweise brauchte es Jahrzehnte, bis die passenden, schmackhaften Verwendungszwecke auf breiter Basis bekannt waren.
Wie schätzen Sie das Marktpotential für das neue Produkt ein?
Erstens folgt das angestrebte Produkt dem Trend, dass sich die Schweizer Bevölkerung zunehmend pflanzlich ernährt. Zweitens bieten diese sich verändernden Ernährungsgewohnheiten der Landwirtschaft neue Marktchancen für differenzierte Produkte. Mit der Forschung und Entwicklung von neuen Produkten können wir zu mehr Wertschöpfung aus landwirtschaftlichen Rohstoffen beitragen. Das ist im Interesse von Landwirtschaft und Verarbeitungsindustrie.
Was sind die grössten Herausforderungen?
Die Komplexität des Zusammenspiels der Inhaltsstoffe bei der Prozessierung. Beispielsweise verliert im jetzigen Entwicklungsstand das Rohprodukt nach der Fermentierung seine Schmelzfähigkeit. Die Fermentierung ist indes nötig für den Geschmack und um dem Produkt die attraktive, käseähnliche Farbe zu verleihen. Wir können bei Agroscope auf einen grossen Wissensfundus zur Verarbeitung von Kuhmilch zurückgreifen und ähnliche Verfahren auf pflanzliche Produkte übertragen.
Was treibt Sie als Projektleiterin persönlich an?
Ich will mit meinem Team ein Produkt entwickeln, das richtig gut ist und ich selbst gerne essen würde. Gleichzeitig will ich dazu beitragen, dass die landwirtschaftlichen Produzenten und Verarbeiter von der erweiterten Wertschöpfung, basierend auf bereits vorhandenen Rohstoffen, profitieren können.
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