Gerettete Bananen – Upcycling in Form von Bananenstängeli

02.06.2020

Der Verein Mehr als zwei widmet sich vielversprechenden Ideen und vereint darin unter anderem Technologie und Nachhaltigkeit. Das neueste Projekt sind die Bananenstängeli – vom Food Waste gerettete Bananen werden in getrocknete Stängeli verwandelt und veredelt. Das birgt diverse Herausforderungen – Olivia Menzi, Vereinspräsidentin von Mehr als zwei, im Interview.

 

Frau Menzi, mit dem Verein Mehr als zwei retten Sie Bananen vor der Verschwendung und geben ihnen in getrockneten Varianten ein zweites Leben. Was hat euch dazu geführt, Bananen zu retten?
Wir sind im Frühling 2019 in einer grösseren Recherche zum Thema Food Waste über die Information gestolpert, dass beispielsweise deutsche Supermärkte pro Minute 288 Kilo Bananen entsorgen. Eine Folgerecherche zu den mutmasslichen Schweizer Zahlen und auch die Idee, diese Bananen als haltbare und qualitativ hochwertige Lebensmittel wieder zurück in den Kreislauf zu bringen, haben uns nicht mehr losgelassen. Im Herbst 2019 erreichten wir dann mit unserem Projekt «Deine Banane ist kein Abfall» den zweiten Platz in der Publikumsabstimmung von Generation M, dem Nachhaltigkeitsprogramm der Migros. Dadurch wurden wir mit einem Beitrag aus dem Programm unterstützt. Der Vorteil der Bananen ist, dass man den meisten Leuten gar nicht lange erklären muss, wieso verschwendete Bananen einen so krassen Ressourcenverbrauch nach sich ziehen.
Will man Überschüsse nachhaltig retten, muss man sie haltbar machen und zum Verzehr bringen; genau das tun unsere produzierenden Partner im Projekt. Durch die kommunikative Begleitung des Vereins vermitteln wir zudem Wissen über das eigentliche Problem: Die Konsumentinnen und Konsumenten werden befähigt und motiviert, sorgfältiger mit Lebensmitteln im eigenen Haushalt umzugehen und Überschüsse selber zu verwerten. Nicht zuletzt basiert das Projekt darauf, bestehende Ressourcen zu nutzen, anstatt neue zu schaffen, was wiederum mit Emissionen und Flächenverbrauch verbunden wäre.

 

Welche Herausforderungen gibt es bei der Beschaffung und Verarbeitung? Gibt es überhaupt genug Bananen?
Wir hatten das Glück, sehr unkompliziert an genügend Bananen für den aktuellen Stand des Projekts zu kommen. Wir wissen, dass es noch weitere mögliche Quellen gibt, mit denen wir aber aktuell noch nicht im Austausch stehen. Der grösste Vorbehalt bei solchen Projekten ist aktuell, eher an zu viel Ware zu kommen und dann nicht genug Verarbeiter/Abnehmer zu finden. Teilweise ist leider erschreckend, wie wenig die Menschen in grösseren Betrieben über die Mengen von mehrheitlich einwandfreien Produkten wissen, die in der Entsorgung landen. Bei der Verarbeitung hat uns erstaunt, dass die Bananen meist noch zwischen 4-5 Tagen nachreifen müssen, bevor sie genug reif/süss für die Verarbeitung sind. Wir dachten nicht, dass wir quasi «supermarktfähige» Ware bekommen würden.
Die Bananenstängeli werden in reiner Handarbeit verarbeitet, das macht sie im Endprodukt eher hochpreisig. Weiter ist die Verarbeitung weniger planbar als bei normalem Wareneinkauf, da es meist Überschüsse hat, aber nicht immer und nicht immer in der gleichen Reifestufe. Darauf muss sich ein produzierender Betrieb einstellen können und wollen.
Grundsätzlich produzieren wir unsere Produkte so lange, wie Überschüsse vorhanden sind. Bei einem Volumen von rund 33% der Importmenge (rund 30’000 Tonnen jährlich), scheint erst einmal kein Mangel in Sicht. Produktions- und Vertriebspartner müssen aber wissen und akzeptieren, dass die Ressourcen theoretisch endlich sind.

 

Wie schwierig ist es, «Abfallprodukte» zu vermarkten? Wie geht ihr damit um?
Die Signale nach dem Markteintritt sind vielversprechend. Die Produktlinie aus geretteten Bananen befindet sich in Kooperation mit weiteren Partnerbetrieben bereits im Ausbau, dadurch wird auch die kommunikative Reichweite für unsere Produkte weiter steigen. Wir sehen zudem Potential und Nachfrage in der Gastro, aber es erweist sich als extrem schwierig, dafür einen Partner zu finden. Da wir vom Verein als Ideengeber, Innovationstreiber, Vermittler und Vernetzer in diesem Projekt beteiligt sind, sind wir darauf angewiesen mit unseren produzierenden Partnern den Markt gemeinsam bearbeiten zu können. Das Ziel vom Verein ist aktuell nicht, selber in den Handel einzusteigen. Wir hoffen, dass wir darauf auch mittelfristig verzichten können.
Ein relativ unerwartetes Problem finde ich die Diskussionen zur Nachhaltigkeit: Wir erhalten zum Beispiel Absagen von potenziellen Händlern, unser Produkt sei aufgrund fehlender Bio-Zertifizierung zu wenig nachhaltig. Ich persönlich sehe das so: Kann ich im freien Handel durch mein Konsumverhalten eine Aussage treffen, bin ich 100% einig, dass saisonal, regional und die Anbauweise die wichtigsten Punkte in meiner Entscheidungskette sind. Bei Ware, die schon importiert, gereift, gelagert, gekühlt und vor der Entsorgung gerettet wurde, kann ich den fehlenden Bio-Kleber als mangelnden Nachhaltigkeitsnachweis nicht verstehen.

 

Die Öpfelfarm verarbeitet die Bananen und macht sie zu edlen Produkten. Wie haben Sie einen Partner wie die Öpfelfarm gefunden?
Eine zentrale Idee unseres Projekts ist es, mit bestehenden und teilweise ungenutzten Ressourcen zu arbeiten. Das heisst, wir haben nach unseren ersten Produkttests in der heimischen Küche unter anderem nach einem Betrieb gesucht, der Früchte und oder Lebensmittel trocknet. Bei unseren Recherchen und nach mehreren Absagen von Sozialunternehmen sind wir dann auf die Öpfelfarm aufmerksam geworden. Wir haben einfach angefragt, ob es für sie denkbar wäre, neben nur regionalen Früchten auch überschüssige Bananen zu verarbeiten. Man muss das Glück haben, auf Menschen zu treffen, die grundsätzlich bereit sind, einem ihre Tür zu öffnen und neuen Ideen und Gedanken eine Chance zu geben. Nach einem ersten Treffen im Januar ging alles sehr schnell und wir konnten nach drei Testrunden Ende April den Markteintritt starten. Durch die unkomplizierte Kooperation und unsere Position als Absender ermöglichen wir der Öpfelfarm, das Projekt mitzutragen und dennoch ihre über die Jahre aufgebaute regionale Marke nicht zu verwässern.

 

Die Bäckerei Mohn überzieht dann die Bananenstängeli mit feiner Schoggi. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?
Die Bäckerei Mohn überzieht unsere Bananenstängeli mit Schoggi. Der Betrieb ist ein langjähriger Partner unseres Produzenten und Trockenfrucht-Experten Roland Kauderer von der Öpfelfarm. Wir hatten durch die bestehende Geschäftsbeziehung das Glück, dass wir schon in der zweiten Testrunde bei einem laufenden Auftrag unsere Bananenstängeli für einen ersten Test mit Schoggi überziehen konnten. Schon beim ersten Probieren war allen klar, dass wir diese Produktvariationen sicher auch vermarkten wollen. Dass die Bäckerei Mohn die Bananenstängeli schon kurz nach dem Verkaufsstart in ihren Filialen ins Sortiment aufgenommen hat, freut uns sehr.

 

Wo gibt es die getrockneten Bananen zu kaufen/bestellen?
Die getrockneten Bananen mit und ohne Schoggi können aktuell über unseren produzierenden Partner die Öpfelfarm bestellt werden: oepfelfarm.ch/gerettetes/

Weitere Informationen zum Projekt und weitere Bezugsmöglichkeiten: https://mehralszwei.ch/banane

 

Bild: Produktentwicklung in Zeiten von Covid: Olivia Menzi (Verein Mehr als zwei) und Roland Kauderer (Öpfelfarm)

 

Über den Verein Mehr als zwei

Weil «smart» viel mehr bedeutet als Technik-Schnickschnack: Der Verein Mehr als zwei verwirklicht gute Ideen, deren Zeit gekommen ist. Die drei Gründungsmitglieder haben langjährige Projekt- und Beratungserfahrung in den Bereichen Technologie, Marketing, Bildung und Nachhaltigkeit. Im Projektzyklus 2019-2023 stehen Vorhaben rund um das Vermeiden von Lebensmittelverschwendung im Fokus. Das Projekt «Deine Banane ist kein Abfall» wird von Generation M unterstützt, dem Nachhaltigkeitsprogramm der Migros.

 

Der Newsroom sammelt spannende aktuelle Geschichten rund um das Branchennetzwerk United Against Waste und seinen Mitgliedern. Haben Sie aktuelle Stories oder Feedback und möchten diese uns mitteilen? Dann melden Sie sich unter info@united-against-waste.ch. Wir freuen uns!